9. Ergänzende wasserwirtschaftliche Informationen

Da der Hochwassereinfluß den entscheidenden selektierenden Faktor bei der Entwicklung von Auenlebensgemeinschaften darstellt, ist es auch aus ökologischer Sicht unverzichtbar, nicht nur die natürlichen bzw. naturnahen Überflutungsbereiche zu betrachten, sondern alle anthropogenen Einflüsse auf das Überflutungsregime einzubeziehen. Wie schon in Kapitel 2 angemerkt, sind heute nur noch Teile des natürlichen Überflutungsraumes für gewöhnliche Hochwasser erreichbar; es sei denn, ein derart extremes Ereignis wie im Sommer 1997 führt zu einem flächenhaften Versagen der Hochwasserschutzeinrichtungen, die wie fast überall nur auf ein begrenztes Schutzniveau ausgebaut sind bzw. sein können (meist für ein Hochwasser mit einem statistischen Wiederkehrintervall von 50 bis 200 Jahren). Dabei kann auch die Dauer einer Hochwasserwelle entscheidenden Einfluß auf die Standsicherheit von Schutzdeichen haben, die zudem oft über mehrere Jahrhunderte stufenweise aufgebaut wurden.

In diesem Atlas sind deshalb auf einer gesonderten transparenten Folie wichtige Informationen zum Hochwassergeschehen dargestellt, und zwar jeweils den Karten mit der topographischen Grundlage und den Biotopdaten zugeordnet:

Bis auf die Abgrenzung der rezenten Aue wurden alle Informationen von den regionalen Wasserwirtschaftsverwaltungen übernommen (meist auf Kartenbasis, sogar in digitaler Form von der RZGW in Wroclaw).

Die Hochwasserschutzdeiche sind nur insofern wiedergegeben, wie sie amtlich als Deichbauwerk registriert sind (im Zuständigkeitsbereich der jeweiligen Wasserwirtschaftsverwaltung). Erhöhte Straßenaufschüttungen, Eisenbahndämme oder sonstige Berandungen (z. B. Geländeerhöhungen, auch mit Terrassenkante) sind nicht gesondert dargestellt. Insofern geben die Schutzdeiche kein geschlossenes Band wieder.

Die rezente Auenberandung im tschechischen Oderabschnitt entspricht den Angaben in den dort gültigen wasserwirtschaftlichen Karten. In Polen sind noch keine Karten der ausgewiesenen Überschwemmungsgebiete verfügbar und sind derzeit auch im Entwurf für ein neues Wassergesetz noch nicht verankert. Die Berandung der rezenten Aue musste deshalb für größe- re Bereiche eigenständig erarbeitet werden (s. Kap. 2). Für die gesamte deutsch-polnische Oderstrecke war diese Abgrenzung aufgrund des geschlossenen Deichsystems meist eindeutig. Bestehende Polder wurden hier nach Abwägung der tatsächlichen Überflutungsverhältnisse teilweise mit in die rezente Auenfläche aufgenommen (s. unten).

Die Überflutungsflächen des Sommerhochwassers 1997 wurden in Brandenburg um größere Druckwasserflächen ergänzt, soweit diese regelmäßig auftreten (Angaben der Außenstellen des LUA Brandenburg), für die anderen Länder war diese Information nicht verfügbar. Das Überflutungsgeschehen selbst war vor allem im polnischen Oderabschnitt aufgrund der Deichbrüche sehr unnatürlich, sowohl hinsichtlich des Fließverhaltens als auch hinsichtlich der Wasserspiegel. Diese lagen zum Teil tiefer, zum Teil deutlich höher als in Flussnähe bzw. wasserseits der Deiche. Daher übertraf die Überflutungsfläche des Sommerhochwassers 1997 teilweise sogar die hier festgelegte Berandung der Flussaue (natürlicher Überflutungsraum).

Die Angaben zu bestehenden und geplanten Poldern beruhen in Brandenburg auf einer Ausarbeitung des Landesumweltamtes Brandenburg, für Polen wurden nur für den Verwaltungsbereich des RZGW Wroc³aw Angaben (digital) geliefert, in der Tschechischen Republik sind Planungen im Oderauenabschnitt des Untersuchungsraumes nicht belegt.

In Tabelle 3 sind alle Flächen mit den dazu angegebenen Volumina zusammengefasst, getrennt nach wichtigen Abschnitten.

Dazu ist anzumerken, dass die bestehenden polnischen Polder Tarnów-Bycki, Po³upin-Szczawno und Krzesin-Bytomiec (mit einem angegebenen maximalen Retentionsvolumen von 70 Millionen Kubikmeter) alle ungesteuert und von unterstrom her offen an den Fluß angebunden sind. Deshalb wurden diese in Teilen auch der rezenten Aue zugewiesen. Die Retentionswirkung im Vergleich zu einem geschlossenen Polder kann dadurch stark eingeschränkt sein. Alle drei Polder sind beim Hochwasser 1997 infolge von Deichversagen von oberstrom her durchströmt worden. Eine ähnliche Situation liegt an der unteren Oder für die deutschen Polder Criewen, Schwedt und Fiddichow vor. Diese Polder sind aber nicht offen an die Oder angeschlossen, sondern nur über steuerbare Bauwerke. Zwar werden diese Polder regelmäßig von Mitte November bis ca. März/April über ständig geöffnete Bauwerke von der Oder überflutet, in der Vegetationsperiode sind diese aber regulär geschlossen. Nur bei großem Sommerhochwasser wird geflutet (wie z.B. in den Jahren 1996 und 1997), zum Schutz vor Versagen bzw. bevor die Sommerdeiche überströmt werden. Die unterstrom anschließenden drei polnischen Polder Widuchowa, Gryfino und Szczecin sind ebenfalls von einem Ringdeich umgeben, weisen aber zahlreiche, nicht mehr steuerbare Durchlaßöffnungen auf. Die natürliche Durchströmung ist dadurch behindert. Trotz dieser Einschränkung wurden alle bestehenden Polder im unteren Odertal, die regelmäßig einer Überflutung unterliegen, der rezenten Aue zugewiesen (d.h. ausgenommen der Polder Lunow-Stolpe oder der Sophienthaler Polder). Für die deutschen Polder ist auch die Tatsache ausschlaggebend, dass drei Polder Teil eines Nationalparks sind und renaturiert werden sollen, d.h. ein naturnäheres Überflutungsregime eingeführt werden soll. Alle anderen Polder in Polen stromaufwärts von G³ogow werden erst bei wirklich extremem Hochwasser überflutet, ausgenommen die kleineren Polder ¯elazna1A/B und Paniowice, deren wirkliche Überflutungsverhältnisse jedoch nicht eindeutig geklärt werden konnten.

Für die dargestellten Flächen von den geplanten Poldern ist darauf hinzuweisen, dass diese in der Regel noch keiner fertigen Planung oder Genehmigung (Ausnahme Polder Buków) entsprechen und somit eher den Raum abgrenzen ohne im Detail die genaue Berandung, die Art des Polders und evtl. notwendige Ergänzungsmaßnahmen wiedergeben zu können. Damit sind vom Grundsatz her die angegebenen Volumenangaben, soweit vorhanden, nur als grobe Planungsgrößen zu verstehen. Diese Angaben repräsentieren eine Zusammenstellung von zum Teil älteren Planungen und aktuellen Anpassungen nach dem Hochwasser 1997. In Polen ist dabei die abschließende Lösung der Hochwasserrückhaltung im Raum Buków (km 34) bis Raciborz (km 50) von entscheidender Bedeutung. Nur ein Polder (bei Buków) ist derzeit im Bau.

Für den Oderauenabschnitt unterstrom Cigacice (km 471 bis 491) ist außerdem ein Überflutungsraum (Fläche ca. 4500 ha) nur für katastrophale Hochwasserereignisse in Diskussion. Beim Hochwasser 1997 wurde diese Fläche, unmittelbar oberstrom des bestehenden Polders Po³upin-Szczawno, infolge Deichversagens voll überflutet. Im Raum Wroc³aw bestehen zudem Überlegungen für ein weiträumiges Umflutgerinne östlich der Stadt über das Tal der Widawa (Fläche ca. 1250 ha). In den Folien werden beide außergewöhnlichen Polder nicht dargestellt.

Zu den dargestellten Daten über bestehende und geplante Polder ist anzumerken, dass auch an einigen wichtigen Nebenflüssen unmittelbar oberstrom der jeweiligen Einmündung in die Oder große Rückhalteräume bestehen, meist in Form von Staubecken mit permanentem Einstau. Hervorzuheben ist dabei der Speicher Turawa an der Mala Panew, nördlich von Opole sowie die beiden Großspeicher Otmóchow und Nysa im Unterlauf der Nysa K³odzka (unmittelbar oberstrom ist ein weiterer im Bau und ein vierter ist geplant). Das zukünftige Hochwasserrückhaltevolumen der genannten drei Becken soll um mehr als 50 Millionen Kubikmeter erhöht werden, womit auch neue Konflikte mit anderen Nutzungen verbunden sind.

Grundsätzlich gilt, dass bis zur Mündung der Nysa K³odzka die Reduzierung eines extremen Hochwasserabflusses um bis zu 1000 m3/s angestrebt wird. Umgerechnet auf ein Retentionsvolumen, erfordert der Rückhalt von 500 m3/s über 24 Stunden (1 Tag) mehr als 40 Millionen m3.

Beim außergewöhnlichen Hochwasser 1997 lag der Spitzenabfluß an der polnisch-tschechischen Grenze bei deutlich mehr als 2000 m3/s, ab dem Bereich Ko¿le lag der Spitzenwert bei mehr als 3000 m3/s, bis über Wroc³aw hinaus. Weiter unterstrom in der deutsch-polnischen Grenzstrecke wird der Spitzenabfluß mit mehr als 2500 m3/s über gut 2 Wochen angegeben. Dabei muß berücksichtigt werden, dass in diesen Abflußspitzenwerten durch die zahlreichen Deichbrüche und die flächigen Überflutungen allein im Odertal bereits eine riesige ungeplante Rückhaltung in der Größenordnung von mindestens einer halben bis über 1 Milliarde Kubikmetern wirksam wurde. Dies wird auch durch die nachfolgende Betrachtung der Flächen deutlich.

Das Sommerhochwasser 1997 hat im Untersuchungsraum insgesamt eine Fläche von ca. 2050 Quadratkilometer überflutet, mehr als doppelt soviel wie die Fläche der rezenten Aue (ca. 970 km2) und trotzdem nur knapp 55% der Fläche des natürlichen Überflutungsraumes der Oder. Diese Relation liegt im polnischen Abschnitt mit ca. 75% jedoch viel höher als im deutschen Abschnitt mit weniger als 20%. Hätten die Deiche im Oderbruch versagt, wären möglicherweise weitere 600 km2 von Überflutung bedroht gewesen, was dann auch im unteren Odertal etwa den Verhältnissen im polnischen Oderabschnitt im Raum Wroc³aw entsprochen hätte. Im am schlimmsten betroffenen Oderabschnitt von Ostrava bis Wroc³aw ist praktisch die gesamte Flussaue überflutet worden. Alle bestehenden und geplanten Polder in diesem Abschnitt erfassen nur einen kleineren Teil der damaligen Überflutungsfläche, was deutlich macht, dass der Hochwasserschutz im Odertal ohne Maßnahmen an Nebengewässern unter Berücksichtigung des gesamten Einzugsgebietes nicht auskommen kann. Die Machbarkeit eines sicheren Hochwasserschutzes auch gegen ein extremes Hochwasser wie im Jahr 1997 erscheint daher zumindest sehr schwierig.

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