2. Abgrenzung des Untersuchungsraumes

Der Atlas betrachtet nur die Flussaue im Odertal einschließlich der durch Rückstau aus der Oder beeinflussten Auen im Einmündungs-bereich von Nebenflüssen. Die räumliche Ausdehnung der Oderauen entspricht dem natürlichen Überflutungsraum oder auch dem natürlichen Hochwassereinflussbereich der Oder. Dazu folgende Erläuterung: Fot. 4: Archiwum NP Unteres Odertal
Oder - Park Narodowy Unteres Odertal, polder Criewen

Für Auen gilt grundsätzlich, dass die regelmäßigen Überflutungen der entscheidende selektierende Faktor für die in den Auen siedelnden Biozönosen sind. Dabei ist vom Grundsatz her neben der direkten Überflutung durch Oberflächenwasser auch die Überflutung durch austretendes Grundwasser (infolge Hochwasser in den Oberflächengewässern) einbezogen worden. Letzteres kann in diesem Atlas aber nicht näher differenziert werden und ist flächenanteilig auch von geringer Bedeutung. Der natürliche Überflutungsraum wird normalerweise durch eine im Holozän infolge flussmorphologischer Prozesse herausgebildete Geländestufe (Hochufer oder Terrassenrand) begrenzt und oft als morphologische Aue bezeichnet. Die darin vorkommenden Böden sind von alluvialen Sedimenten geprägt. Diese Abgrenzung ist jedoch im gesamten Odertal selten eindeutig erkennbar. Der Hauptgrund liegt darin, dass die Oder überwiegend in Urstromtälern fließt, die durch mehrere glaziale Phasen unter vollkommen anderen hydrologischen Rahmenbedingungen geformt worden sind. Diese Urstromtäler sind in der Regel 2 bis 10 Kilometer breit. Die dabei entstandenen pleistozänen Ablagerungen (dominiert von Sanden im gesamten Talboden) sind wiederum nicht vollkommen eben, sondern weisen selbst unterschiedliche Terrassenstufen, häufig sogar inselartige Erhebungen auf. Die auftretenden Höhendifferenzen liegen manchmal bei wenigen Dezimetern, viele Terrassenstufen sind nur knapp 1 m über der tiefsten Talebene.

Die Interpretation der morphologischen Strukturen auch in den ältesten verwertbaren Karten (meist erst ab Anfang des 18. Jahrhunderts) zeigt, dass die Oder, vor allem oberstrom der Bóbr-Mündung, oft nur die Hälfte des natürlichen Überflutungsraumes aktiv flussmorphologisch durch Flussbettverlagerung umgestaltet hat. Trotzdem kann bei Hochwasser, wenn Deiche dies nicht verhindern, ein deutlich darüber hinaus reichender Raum überflutet werden, auch auf Flächen mit pleistozänen Sedimenten.

Da jede Überflutung durch Hochwasser in Raum und Zeit unterschiedlich ist, kann eine eindeutige Abgrenzung des für einen potenziellen Auenstandort maßgebenden Hochwassereinflusses nicht überall festgelegt werden, insbesondere wenn eine deutliche Terrassenkante fehlt. Oft wird als Maßstab die Überflutung bei einem 100-jährlichen Hochwasser zugrunde gelegt. Wenn diese statistische Größe an der Oder verfügbar war (nur abschnittsweise), so wurde sie als Grundlage verwendet. Hinweise wurden teilweise auch aus der Höhe der Deiche abgeleitet, die durchgängig für ein relativ hohes Schutzniveau (ca. ein 100- bis 200-jährliches Hochwasser) ausgebaut worden sind. Bei der Festlegung eines potentiellen Auenstandorts spielt darüber hinaus auch der Faktor Boden eine wichtige Rolle. Bei der Bearbeitung wurden daher auch Karten zur Bodenbeschaffenheit (nur in Polen) (IUNG, 1983 und 1987) und zur potentiell natürlichen Vegetation (Matuszkiewicz et al., 1995; Neuhäuslová et al., 1998) verwendet. Allgemein gilt auch hier, dass der Überflutungsraum nicht identisch sein muss mit dem gesamten Talboden des Odertales. Das Hochwasser an der Oder im Juli und August 1997 hat aufgrund seiner extremen Größe (Jährlichkeit teilweise bis deutlich über 500 Jahre) den so festgelegten Überflutungsraum teilweise deutlich überschritten, u.a. auch wegen der vorhandenen Deichstrukturen und den damit veränderten Überflutungsbedingungen landseits.

Bei den einmündenden Nebenflüssen wird in der Regel der Überflutungsraum bis zur Grenze des Rückstaueinflusses bei Oderhochwasser erfasst. Auch dies ist selten genau festzulegen. Oft wurde deshalb eine direkte Verbindungslinie der ober- und unterstrom anschließenden Begrenzungen gezogen (in den Karten erkennbar durch eine gepunktete Linie). Diese offene Abgrenzung ist in den Bereichen der seitlich einmündenden Urstromtäler (z.B. Bereich der Barycz-Mündung, Oder-km 378,1 oder auch der Warta-Mündung, Oder-km 617,6) besonders schwer festzulegen. Bei den größten Zuflüssen (Nysa K³odzka, Lausitzer Neiße, Warta) wurde der Untersuchungsraum gesondert definiert, meist bis zum Rand des verwendeten Kartenblatts.

Auf diesen Grundlagen wurde der natürliche Überflutungsraum als Raum für die Oderauen definiert und somit auch der Untersuchungsraum für den Atlas festgelegt. Die gesamte untersuchte Fläche beträgt ca. 3 600 km2(Daten aus dem GIS).

Unter den heutigen Verhältnissen ist dieser natürliche Überflutungsraum vor allem durch den Bau von Deichen oder Stauanlagen nur noch eingeschränkt verfügbar (s. Kapitel 9). Der heute überflutbare Raum wird als rezente Aue, die heute nicht mehr überflutbaren Flächen landseits der Deiche oder anderer Schutzanlagen werden als Altaue bezeichnet. Die rezente Auenfläche (ohne die oben erwähnten Grundwasseraustrittsflächen) beträgt ca. 970 Quadratkilometer, das entspricht ca. 27% des natürlichen Überflutungsraumes.

In der Längsentwicklung beginnt der Untersuchungsraum in der Tschechischen Republik bei der Stadt Odry (Ostravský kraj, tschech. Oder-km 81), wo die Oder erstmals ihren schwach gebirgigen Charakter mit relativ schmalen, meist nur das Gewässer begleitenden Auenstreifen verliert und in die größere Talebene der Moravská brána einmündet. Das Ende des Untersuchungsraumes liegt am südlichen Rand der polnischen Stadt Szczecin. Dieses Ende wurde festgelegt aufgrund der sich im Bereich von Szczecin zunehmend von einer typischen, dynamischen Flussaue entfernenden Oderflusslandschaft. Der unterstrom anschließende Bereich mit den vom Stettiner Haff geprägten Verhältnissen wird als eigenständiger Landschaftsteil mit einem unterschiedlichen Naturhaushalt angesehen, der separat dargestellt werden sollte. Es hätten sich auch zunehmende Schwierigkeiten mit den Differenzierungsmerkmalen der ausgewählten Auenbiotoptypen ergeben.

Die gesamte erfasste Flusslänge beträgt 785 km (von insgesamt ca. 855 km bis zur Mündung ins Stettiner Haff), die gesamte Tallänge beträgt ca. 650 km.

Zur Ermittlung der Flusslauflänge des Untersuchungsraumes ist anzumerken, dass in der polnisch-tschechischen Grenzstrecke nur die polnischen Kilometerangaben verwendet wurden, da die tschechische Oderkilometrierung um ca. 3,5 km zu kurz ist, durch Vorwegnahme von in der damals preussisch-österreichischen Grenzstrecke geplanten, aber nicht ausgeführten Mäanderdurchstiche. Innerhalb der polnischen Oderstrecke südlich Racibórz bis in den Raum Opole sind weitere Verkürzungen von ca. 9 -10 km noch nicht in der Kilometrierung berücksichtigt. Eine Überarbeitung ist bereits geplant. Flusskilometerangaben sind im Atlas grundsätzlich gerundet, mit Ausnahme der Kilometer an Einmündungen von Nebenflüssen, wo die exakten Angaben mit einer Dezimalstelle übernommen werden. Allgemein gilt die schon zu preussisch-österreichischen Zeiten (um 1825) festgelegte Kilometrierung. Dabei liegen unterschiedliche Nullpunkte in der tschechischen und polnischen bzw. polnisch-deutschen Strecke vor. Die tschechische Kilometrierung zählt flussaufwärts von der Einmündung der Olše in die Odra, die polnische zählt flussabwärts vom Zusammenfluss der Opava mit der Odra. Die polnisch-tschechische Grenzstrecke reicht von Bohu-mín/Cha³upki (km 20 polnisch bzw. km 4 tschech.) bis zur Einmündung der Olše in die Odra (km 27,7 polnisch bzw. km 0 tschechisch). Fot. 5: G. Bobrowicz
£êg wi±zowy w okolicy Domaszkowa

Eine Gesamtbetrachtung des Untersuchungsraumes in einem Stück scheidet wegen der Übersichtlichkeit und der notwendigen Differenzierung von charakteristischen Flussauenabschnitten aus. Neben der seit langem im Grundsatz gültigen geomorphologischen Einteilung des Odertals ist für Polen eine darüber hinausgehende physisch-geographische Einteilung erarbeitet worden. Dabei wird die Einteilung methodisch von Großräumen auf Regionen herunter gestuft. Die betreffenden Regionen sind vom Grundsatz her immer am Verlauf des Odertals orientiert und widersprechen nicht den flussmorphologisch zu definierenden Talauenabschnitten. In der tschechischen Republik liegt eine ähnliche, nach geomorphologischen Gesichtspunkten erarbeitete Aufteilung vor. Auf dieser Basis sind 11 Regionen zu unterscheiden (Karte A4): Im tschechischen und gemeinsamen tschechisch-polnischen Abschnitt liegen die geomorphologischen Einheiten Moravská brána und Ostravská pánev (Boháè et Koláø, 1996).

Der polnische und der gemeinsame polnisch-deutsche Abschnitt teilt sich nach Kondracki (2000) in neun Mesoregionen:

Kotlina Raciborska, Pradolina Wroc³awska (unterteilt in Krapkowice bis Ma³a Panew-Mündung und Ma³a Panew-Mündung bis Kaczawa-Mündung), Obni¿enie Scinawskie, Pradolina G³ogowska, Kotlina Kargowska, Dolina Srodkowej Odry, Lubuski Prze³om Odry, Kotlina Freienwalde, Dolina Dolnej Odry.

In der Tschechischen Republik wird nur ein politischer Bezirk (Ostravský kraj), in Polen werden fünf Wojewodschaften (województwo œl¹skie, opolskie, dolnoœl¹skie, lubuskie und zachodniopomorskie) und in der Bundesrepublik Deutschland wird nur ein Bundesland (Brandenburg) erfasst.

Geographische Namen werden nur entsprechend der in den heutigen Landesgrenzen gebräuchlichen tschechischen, polnischen oder deutschen Sprache verwendet (s. Anlage 1).

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